Retinitis pigmentosa

Die Retinitis pigmentosa (RP) ist eine Gruppe seltener Erbkrankheiten, bei der die Netzhaut langsam und fortschreitend degeneriert.


Am Ende kann es zur Erblindung kommen.

Es gibt zwei Hauptzellarten in der Netzhaut:

  • Die Zapfen befinden sich überall in der Netzhaut.
    Das Zentrum der Netzhaut (die Makula) enthält die größte Anzahl von Zapfen und ermöglicht zentrales Sehen, Lesen und Farbunterscheidung.
  • Die Stäbchen befinden sich überall in der Netzhaut, außer im Zentrum (Sehgrube).
    Die Stäbchen dienen dem Nachtsehen und dem Sehen in der Peripherie.

Menschen mit einer Retinitis pigmentosa leiden unter einem allmählichen Rückgang des Sehvermögens, weil beide fotorezeptiven Zellarten (Zapfen und Stäbchen) absterben.

 

Inhalt

Arten von Retinitis

Autosomal dominante Retinitis pigmentosa
Leidet ein Elternteil an der dominanten Form der Retinitis, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 %, die Krankheit an die Kinder zu vererben.
Die autosomal dominante RP trifft Männer und Frauen gleichermaßen.

Autosomal rezessive Retinitis pigmentosa
Beide Elternteile sind gesunde Träger und haben eine Wahrscheinlichkeit von 25 %, die Krankheit an ein Kind zu vererben.
Die autosomal rezessive RP betrifft Männer und Frauen auf die gleiche Weise.

X-chromosomale Retinitis pigmentosa
Bei einer gesunden Trägerin und einem gesunden Mann besteht eine Wahrscheinlichkeit von:

  • 25 %, kranke Söhne zu bekommen.
  • 25 %, gesunde Träger-Töchter zu bekommen.
  • 50 %, gesunde Kinder (Jungen oder Mädchen) zu bekommen, die keine Träger sind.

Dies ist ein Vererbungsmuster, von dem hauptsächlich Männer betroffen sind. Weibliche Familienmitglieder sind Träger des defekten Gens, erkranken jedoch selten.


Sporadische Retinitis pigmentosa
In etwa 30 % ist das Kind seit der Geburt von der Retinitis pigmentosa befallen, obwohl beide Elternteile gesund sind. In diesen Fällen entsteht der Gendefekt im Moment der Sperma- bzw. Eizellbildung.

Die atypische Retinitis pigmentosa kann erst:

  • das zentrale Sehvermögen (inverse RP) treffen oder
  • das Sehvermögen in einem einzigen Quadranten (sektorenförmige RP).

Die RP sine pigmento weist alle klassischen Symptome der Erkrankung auf, mit Ausnahme der Netzhaut-Pigmentation.

Pseudoretinitis pigmentosa
Es gibt nicht erbliche Formen von Netzhautdegeneration, die zu einer Verminderung des Sichtfeldes führen, ähnlich der Retinitis pigmentosa. Sie werden als Pseudoretinitis pigmentosa bezeichnet und können folgender Natur sein: 

  • Infektiös – wird durch eine Infektion hervorgerufen, die verantwortlichen Mikroorganismen können Bakterien (im Falle einer Syphilis), Pilze (zum Beispiel Candida), ein Virus (wie das Masernvirus, Zytomegalievirus oder Herpes-Virus) oder Protozoen (im Fall von Toxoplasmose) sein.
  • Toxisch – steht in Verbindung mit der Anwendung von Medikamenten wie: Chloroquin, Thioridazin, Chlorpromazin, Indometacin, Tamoxifen.
  • Traumatisch.

Wird frühzeitig mit Antibiotika oder Antimykotika behandelt, kann man sie ohne Folgen kurieren, doch wenn zu lange gewartet wird, könnte das bleibende Sehschäden verursachen.
In diesen Fällen ist die Beeinträchtigung des Sehvermögens im Laufe der Jahre jedoch stabil.

 

Ursachen der Retinitis pigmentosa

Es gibt viele Gene, die eine Veränderung der Funktionsweise der Netzhautzellen verursachen können und dementsprechend auch viele verschiedene Arten der RP.

Die Retinitis pigmentosa wird oftmals zusammen mit anderen Augenerkrankungen mit ähnlich genetischen Ursachen und Auswirkungen auf die Sehfähigkeit genannt, wie:

  • kongenitale Amaurosis nach Leber,
  • Zapfen-Stäbchen-Dystrophie,
  • Choroideremie.

Die RP kann auch mit anderen Problemen vergesellschaftet sein, wie zum Beispiel einem Hörverlust.
Diese seltenen Umstände werden assoziierte RP oder Syndrome genannt.

Syndrome der Retinitis pigmentosa
In den meisten Fällen betrifft der Gendefekt nur die Augen. Manchmal sind auch andere Körperteile mitbetroffen. Zum Beispiel entwickeln Patienten beim Usher-Syndrom eine Kombination von Gehörlosigkeit und Blindheit.

Wie erbt man eine Retinitis pigmentosa?
Es gibt eine wichtige genetische Komponente bei der Retinitis pigmentosa.

 

Symptome der Retinitis pigmentosa

Da die Retinitis pigmentosa eine fortschreitende Erkrankung ist, verschlimmern sich die Anzeichen und Symptome mit der Zeit. Die ersten Symptome, die bemerkt werden, sind:

  1. schlechte Nachtsicht oder Nachtblindheit;
  2. Sehprobleme in schlecht beleuchteter Umgebung;
  3. Verlust des peripheren Sehens (seitlich) oder Einschränkung des Blickfeldes;
  4. Schwierigkeiten, Veränderungen im seitlichen Blickfeld, wie Bordsteinkanten oder Stufen, zu beurteilen.
  5. Verlust der Sehschärfe.

 

Verlauf oder Evolution der Retinitis pigmentosa

Das häufigste Kennzeichen bei allen Formen der Retinitis pigmentosa ist eine allmähliche Degeneration der Zapfen und Stäbchen.

Die meisten Formen der RP verursachen zuerst eine Degeneration der Stäbchen.
Diese Formen der RP, manchmal Stäbchen- und Zapfen-Degeneration genannt, beginnen in der Regel mit Nachtblindheit.
Nachtblindheit kann man sich vorstellen als das, was normalerweise geschieht, wenn man an einem sonnigen Tag ein dunkles Kino betritt.
Patienten mit RP können in dunkler und schlecht beleuchteter Umgebung nicht gut sehen.
Mit dem Fortschreiten der Erkrankung degenerieren mehr Stäbchen, die Patienten verlieren das periphere Sehen.

Retinitis pigmentosa,Nerven,Auge,GehirnPatienten mit RP haben oftmals ein Röhrengesichtsfeld oder einen Tunnelblick, als würden sie die Umwelt durch die Öffnung eines Strohhalms sehen.
Viele Patienten mit RP behalten ein Leben lang einen gewissen Grad an zentraler Sehkraft.
Patienten bemerken einen teilweisen Verlust des zentralen Sehvermögens, das nicht durch eine Brille oder Kontaktlinsen korrigiert werden kann.
Mit dem Verlust von Zapfenzellen beginnen die Störungen in der Farbwahrnehmung.
Mit dem Fortschreiten der Erkrankung degenerieren die Stäbchen, wodurch ein peripherer Sehverlust entsteht.

In welchem Alter tritt die Retinitis pigmentosa auf?
Es gibt keinen bestimmten Zeitabschnitt für das Auftreten, die Symptome können in der Kindheit oder nach dem 40. Lebensjahr beginnen.
Die Symptome der RP sind gewöhnlich bei Kindern, Heranwachsenden und jungen Menschen zu beobachten.

 

Diagnose der Retinitis pigmentosa

Diese speziellen Untersuchungen können zur Diagnose einer RP verwendet werden:

Untersuchung des Augenhintergrundes
Mit diesen Untersuchungen wird das Aussehen der Netzhaut, der Pupille und der Blutgefäße im Auge bewertet. Zu Beginn der Krankheit können sie normal aussehen, mit Fortschreiten der Krankheit kann man bestimmte Veränderungen feststellen:

  • Pupillenblässe,
  • Verdünnung der Sehnervkapillaren.
  • Pigmentation der Netzhaut.

Sehschärfetests
Diese Untersuchungen messen die Genauigkeit des zentralen Sehens bei bestimmten Abständen und bestimmten Lichtsituationen.

Farbtest
Dieser kann helfen, den Status der Zapfenzellen zu bestimmen, also der Zellen, die die Farben auswerten.

Test des Gesichtsfeldes
Dieser Test erfolgt mithilfe eines Gerätes zur Messung des peripheren Sehens.

Test der Anpassung an die Dunkelheit
Dieser Test misst die Fähigkeit der Augen, sich den Veränderungen der Beleuchtung anzupassen und kann dem Arzt helfen, die Funktionsweise der Stäbchen besser zu untersuchen, also der Zellen in der Netzhaut, die für das Nachtsehen verantwortlich sind.

ERG-Test
Das ERG (Elektroretinogramm) registriert die elektrischen Signale, die von der Netzhaut infolge eines Lichtreizes erzeugt werden. Intensität und Schnelligkeit des elektrischen Signals nehmen mit der Degeneration der Photorezeptoren ab.

OCT (Optische Kohärenztomographie)
Dieses Verfahren ist hilfreich, um die Strukturen und Gewebe der Netzhaut genauestens zu untersuchen.

Retinographie
Die Retinographie ermöglicht eine photographische Dokumentation der Netzhaut, um ihren Gesundheitszustand zu bewerten.

Fluoreszenzangiographie
Diese Untersuchung ist hilfreich, um früheste Netzhautveränderungen aufzeigen, den Art des Schadens festzulegen und den Zustand der Blutgefäße des Auges zu bewerten.

 

Welches ist die Therapie bei Retinitis pigmentosa?

Es gibt keine definitive Behandlung bei Retinitis pigmentosa.
Jedoch gibt es einige Behandlungsmöglichkeiten, wie das Vermeiden von Licht und/oder die Verwendung von Sehhilfen, um das Fortschreiten der RP zu verzögern.

 

Es gibt einige experimentelle Vorrichtungen und die ersten Ergebnisse bei den Patienten sind durchaus erfolgversprechend.

Argus II Retinaprothesensystem
Second Sight Medical Products hat das Argus II Retinaprothesensystem für Patienten mit gravierender Retinitis pigmentosa und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen entwickelt.
Das System Argus II besteht aus einer kleinen Videokamera, die in eine spezielle Sehbrille eingebaut ist.
Die Kamera ist mit einem kleinen drahtlosen Gerät verbunden, das vom Patienten getragen wird.

Das Gerät setzt die eingehenden Videoimpulse in elektrische Signale um, die drahtlos an das Implantat im Auge übertragen werden.
Das Implantat verwendet die Informationen, um die verbliebenen gesunden Zellen der Netzhaut zu stimulieren und die visuellen Informationen werden über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet, wo sie als Lichtmuster wahrgenommen werden.
Der Patient lernt, diese Modelle so zu interpretieren, dass er die Konturen von Objekten unterscheiden kann.

Nach veröffentlichten Studien haben alle Patienten einige visuelle Wahrnehmungen von dem Argus II-Gerät erhalten, viele haben deutliche Verbesserungen bei ihrer Bewegung gezeigt, wie das Verfolgen von Linien, das Öffnen von Türen und Fenstern und das Ausweichen vor Objekten.
Es gibt Menschen mit einem Argus II-Implantat, die in der Lage waren, kurze Sätze zu lesen und damit die Erwartungen der Forscher übertroffen haben.
Die Verbesserungen des Sehvermögens wurden bei vielen Patienten in einer Nachbeobachtungszeit von mindestens zwei Jahren beibehalten.

 

Gentherapeutische Behandlung

Schutzfaktor CNTF
Die Forscher der Universität von Oxford, in Zusammenarbeit mit der Universität von Florida und der Hochschule von Westaustralien, erproben derzeit einen Schutzfaktor der Photorezeptoren, der CNTF genannt wird.
Das Ziel ist die Lebensverlängerung der Netzhautzellen mit verändertem genetischem Code, der zur Selbstzerstörung führt.

Gezielte Arzneimittel
Derzeit (2017) werden Augentropfen erprobt, die den Nervenwachstumsfaktor (NGF) enthalten.
Das von Rita Levi-Montalcini entdeckte Protein spielt eine grundlegende Rolle bei der Regeneration von Neuronen und Gewebe.

 

Nahrungsergänzungsmittel und Ernährung bei Retinitis pigmentosa

Vitamin A/Beta-Carotin
Antioxidantien können bei der Behandlung von Patienten mit RP nützlich sein, doch es gibt keine eindeutigen Beweise für die Vorteile von Vitaminergänzungsmitteln.
Manche Patienten berichten über eine Besserungen bei der Makuladegeneration mit Fenretiniden, die ein Derivat des Vitamins A sind.

Docosahexansäure (DHA)
DHA ist eine mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäure und ein Antioxidans.
Studien haben einen Zusammenhang zwischen den Amplituden des Elektroretinogramms und der Konzentration der Erythrozyten-DHA der Patienten gezeigt. Andere Studien weisen eine Tendenz zu kleineren Veränderungen des ERG bei Patienten mit erhöhten DHA-Spiegeln auf.

Acetazolamid
Das Makulaödem kann die Sehkraft in fortgeschrittenen Phasen der Retinitis pigmentosa verringern.
Von vielen nachgewiesenen Therapien hat oral verabreichtes Acetazolamid sehr befriedigende Ergebnisse mit einer gewissen Verbesserung der Sehfunktion gezeigt.
Die Studien von Fishman et al und Cox et al haben eine Besserung der Sehschärfe unter oralem Acetazolamid bei Patienten gezeigt, die an einer RP mit einem Makulaödem leiden.

Lutein/Zeaxanthin
Lutein und Zeaxanthin sind Makulapigmente, die der Körper nicht selbst erzeugen kann, sondern aus Nahrungsquellen aufgenommen werden müssen.
Lutein hilft, die Makula vor oxydativen Schäden zu schützen und Ergänzungsmittel haben eine Zunahme der Makulapigmente gezeigt.

Valproinsäure
Der Nutzen von oral verabreichter Valproinsäure wurde in klinischen Studien nachgewiesen, weitere größere klinische Studien laufen derzeit.

 

Medikamente mit möglichen Nebenwirkungen bei Retinitis pigmentosa

Isotretinoin (Accutane):
Ein zur Behandlung von Akne benutztes Medikament wurde als ein Wirkstoff bekannt, der Nachtblindheit verschlimmert.

Sildenafil (Viagra):
Ein Medikament zur Behandlung erektiler Dysfunktion wurde als Ursache für Veränderungen des ERG und reversible Sehstörungen erkannt.

 

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